Als wäre NICO herabgestiegen

Es ist, als wären NICO und
Marlene Dietrich zusammen
wieder herabgestiegen auf
die Erde, um die Fans unter die
Haut gehender Musik zu beglücken.
Doch die beiden sind es nicht. Es
ist Andrea Schroeder. Die aus NRW
stammende Sängerin, die, wie
NICO einst mit einem Taschenharmonium
agiert und heute in
Berlin-Wedding lebt, ist eine Ausnahmeerscheinung
unter den deutschen
Sängerinnen. Eine Songpoetin,
deren Stimme ebenso fesselt,
wie ihre lyrischen, oft melancholischen
Texte. Mit „Where The
Wild Oceans End“ legt sie nun
ihr zweites Album vor. Aufgenommen
wurde es in einem kleinen,
wunderbar ausgestatteten, analogen
Studio an der norwegischen Atlantikküste,
unter der Regie des
US-amerikanischen Produzenten
Chris Eckman (The Walkabouts,
Tamikrest, Midnight Choir). Verglichen
mit ihrem 2012er Debut
„Blackbird“, das von Kritik wie
Publikum gleichermaßen euphorisch
aufgenommen wurde und die
Messlatte entsprechend hoch legte,
ist mit „Where The Wild Oceans
End“ dennoch ein Quantensprung
gelungen. Die Entwicklung, die
Andrea Schroeder und ihre Band
um den dänischen Gitarristen und
Songwriting-Partner Jesper Lehmkuhl
in den anderthalb Jahren seit
Erscheinen ihres Debuts genommen
haben, ist faszinierend. Ohne ihre
Wurzeln zu verlassen, haben sie
ihr Spektrum deutlich, aber in logischer
Konsequenz erweitert. Nach
wie vor steht Andreas verstörendverführerische
Stimme im Mittelpunkt,
sind die Geschichten, die
sie transportiert von tiefer, fragiler
Melancholie geprägt, die musikalische
Vision ist jedoch deutlich
gewachsen. „Where The Wild Oceans
End“ ist ein Album wie aus einem
Guss geworden, es hinterlässt
Spuren, berührt die Seele und vermittelt
doch ein warmes Gefühl
tiefster Befriedigung beim Hörer.
Das Album eignet sich nicht zum
Waldfeen-Hype, wohl aber zur sofortigen
Bereitstellung sämtlicher
Klischees: die beschützenswerte
Schmerzensfrau, die schwarze Seele,
die Nachtpoetin. Auf „Blackbird“
gab es genau einen Song in deutscher
Sprache, hier auch, den Bowie/
Eno-Track „Heroes“, in dem
Schroeder die männliche Perspektive
beibehält: „Ich/ Ich bin dann
König/ Und du/ Du Königin/ Obwohl
sie unschlagbar scheinen/
Werden wir Helden für einen Tag.“
Andrea Schroeder nimmt man ihre
nächtlichen Reisen ans
Ende der Hauptstadt
(„Ghosts Of Berlin“) sofort
ab: „There're ghosts
in Berlin/ Bodies buried
in the ground/ They're
walking in the streets/
Without a sound.“
Schroeder wohnt nur ein
paar Kilometer, vielleicht
sogar nur wenige hundert
Meter von Schneider TM
entfernt, im Berliner Stadtteil
Wedding, dem prognostiziert
wird, alsbald
ebenso gentrifiziert zu
werden wie Prenzlauer
Berg. Ihre mit dunkler,
distanzierter Stimme vorgetragenen,
von ihrem dänischen
Kompagnon Jesper
Lehmkuhl schön nordisch
kühl instrumentierten
Lieder lassen eher Vergleiche
mit der hintersinnigen
Lyrik Nick Caves
zu.
Eine ebenso verträumte
wie bedrohliche Musik
mit einer „fast traurigen
Grundhaltung“, attestiert die Süddeutsche
ZeitungAndrea Schroeder
und fühlt sich unmittelbar an Patti
Smith und Nick Cave erinnert. Das
Berliner Abendblatt beschreibt ihre
„beschwörende und einfühlsame
Musik mit charismatischer Stimme“,
und die kalifornischen Bay
Area Papers bezeichnen die Berlinerin
Andrea Schroeder als „Ausnahmetalent,
welches bald für größeres
Aufsehen sorgen wird“. Es
ist soweit! ts.