Das schwere Erbe des Grafen Zeppelin
Von Matthias Horwath
Die Britische Band Led Zeppelin versammelte sich 2007 in der
Londoner O2 Halle zu einem einmaligen Konzert. Im Dezember
2012 - nach fünf langen Jahren des Wartens - erschien ihr vorraussichtlich
letztes Live-Album. Dieses Album gibt es in heute
üblichen Formen als Doppel-CD, als DVD und so weiter. Im Januar
2013 wird noch eine Vinyl-Ausgabe nachgelegt. Am
Schlagzeug der aktuellen Band sitzt Jason Bonham, der Sohn
des verstorbenen Drummers John Bonham

Millionen von Karten-Anfragen
für dieses eine
Konzert zeigen weltweit
die einzigartige Bedeutung dieser
Band, die sich sicher nicht rein
musikalisch erklären lässt. Die
Bandgeschichte der Briten offenbart
eine faszinierende Vita mit einem
steilen Aufstieg des Luftschiffes
seit ihrer Gründung Ende der Sechziger.
Die britische Wiedergeburt
des schwarzen Blues wurde über
weiße Musiker wie Alexis Korner,
John Mayall, den Rolling Stones
und den Yardbirds bereits seit einer
Dekade in klingende Münze umgesetzt.
Die Seefahrernation der
Briten ist seit Jahrhunderten im
disziplinierten wie rüpelhaften Kolonialisieren
und Auspressen anderer
Kulturen geübt. Die vier
Jungs von Led Zeppelin brachten
hierbei, als moderne Version des
Spiels, den blonden Sexappeal weißer
Jungs mit den perlenden Bluenotes
des Rhythmen Blues auf das
perfekte Level des internationalen
Musikgeschäftes zusammen, speziell
in Verbindung mit keltischem
Folk und seiner eigenen Mystik.
Wie die Stones und die Yardbirds
bedienen sie sich anfänglich des
schwarzen amerikanischen Blues
des frühen 20. Jahrhunderts. Kein
geringerer als der Türkisch-Amerikanische
Musikmogul Ahmet Ertegun
erkennt das riesige Geschäftspotential
von Led Zeppelin. Ertegun,
der zuvor auf seinem Label
ATLANTIC eher schwarze Musik
wie Soul und anspruchsvollen Jazz
veröffentlicht, bricht mit Led Zeppelin
seine Prioritäten und eröffnet
sich damit eine Goldgrube bis dato
unbekannten Ausmaßes. Die seit
1969 bis 1980 veröffentlichten Alben
der Band, später auf dem eigenen
Label „Swan“ veröffentlicht,
ließen alle Verkaufszahlen bisheriger
Größen hinter sich. Led Zeppelin
verzichteten dazu auf die bisher
übliche Praxis der Single-Auskopplung.
Qualitativ erreichte die
Band mit ihrem namenlosen Album
No 4 den künstlerischen Zenit. Unsterbliche
Songs wie „Black Dog“
oder „Stairway To Heaven” zeigten
die musikalischen Reifung der vier
Herren. John Paul Jones brachte,
neben den griffigen Bass-Riffs mit
Tasteninstrumenten und einem virtuosen
Mandolinen-Spiel zahlreiche
Elemente des Folk und der alten
englischen Musik ein. John Bonham
zählt zu den sogenannten Powerhouse-
Drummern der Insel. Sein
kraftvolles Spiel bestimmt in weiten
Teilen den Sound der Band. Über
den Gitarristen Jimmy Page und
den Sänger Robert Plant noch etwas
zu schreiben, erscheint beinahe
überflüssig. Beide sind als Solisten
eher etwas überschätzt, wenn man
die Post-Zeppelin Alben hört. Aber
im Team der Band entwickeln sie,
obwohl Zeppelin als Hardrock-
Band und Metal-Vorläufer gehandelt
werden, eher in den leisen Tönen
eine extreme Magie. Mit ihrem
Live-Album „The Song Remains
The Same“ aus dem New Yorker
„Madison Square Garden“ von
1974 setzt die Band, die gern ein
zwielichtiges Image über Suff,
sich mit seiner Band einer sehr eigenen
Version von Folk und Blues.
Das besagte Konzert in der O2
Halle musste sicherlich mit dem
Riesendruck von Millionen Fans
im Rücken ein Erfolg werden, der
offensichtlich nur durch Kompromisse
erreicht werden konnte. Es
durften Songs für die „Alten“ nur
in Werktreue, aber für die „Jungen“
im komprimierten Computer-Sound
des 21. Jahrhunderts transportiert
werden. Und so kreuzten sich diese
beiden Elemente genau in der Mitte.
Heraus kam dabei ein herausragendes
Album des Mittelmaßes.
Die Dynamik wirkt streckenweise
etwas flach, dennoch kann sich
über die sehr hohe Qualität der
Songs häufig eine eigene Strahlkraft
der Musik entfalten. Die psychedelisch
nicht mehr überzeugenden
Geigenbogen-Attacken auf der Gitarre
von Jimmy Page wirken heute reichlich
angestaubt, jedoch braucht
sein erdiges und warmes Spiel das
mehrmalige Anhören des Albums.
Robert Plant lässt eine durchaus
gereifte Stimme hören und meistert
auch die Songs in den hohen Lagen
überzeugend. Der Schlüssel eines
modernen Rock-Sounds jedoch
steht und fällt mit dem Sound des
Drummers. Mit Jason Bonham,
dem Sohn des verstorbenen Übervaters
John, kommt damit eine
streitbare Schlüsselfigur des Albums
ins Rennen. Die langhaarige
und breit ausufernde Vätergeneration
wird durch die kahlköpfige und
materialistische Generation ersetzt:
kraftvoll, präzise, politisch
korrekt und kein Ton zuviel. Genau
das scheint den zeitgemäßen Part
des neuen Zeppelin-Albums zu
prägen, ob das den Alten passt
oder nicht, denn die Erde dreht
sich noch immer weiter.