Der Club der 27 - Eine außergewöhnliche Begegnung mit Jim Morrison
Von Gabriele Heuze

Was waren das für spannende
Jahre, die 60er
und die 70er. Es gab neben
Elvis und Bill Haley, in
Deutschland hatten wir Ted Herold
und Peter Kraus, die Beatles, die
Stones. Jimi Hendrix und Janis Joplin.
The Doors und Woodstock.
Dank Firma Schering konnten wir
unsere sexuellen Bedürfnisse ausleben.
AIDS gab es noch nicht.
Aber dafür jede Menge Drugs, Sex
and Rock’n’Roll. Und auch das
konnten wir ausleben, wenn wir
denn wollten.
Es gab die Mamas und die Papas
(die Sängerin starb durch ein Brötchen,
das sie dummerweise verschluckte).
Die Monkees waren
die erste Boygroup, die gecastet
wurden. Und viele, viele mehr.
Dass diese wunderbaren freien Zeiten
auch Opfer forderte, wurde uns
allen erstmals bewusst, als im Juli
1969 die Meldung kam, dass Brian
Jones, Gründungsmitglied der Rolling
Stones und Gründungsmitglied
des „Klub 27“, im Swimming Pool
ertrunken ist (inzwischen wird wegen
Mordes an ihm ermittelt). Er
war 27 Jahre alt.
Im September 1970 starb Jimi Hendrix,
im Oktober 1970 folgte Janis
Joplin. Sie waren alle 27 Jahre alt.
Und als sie starben waren jede
Mengen Drugs beteiligt.
Das vorläufige Ende dieser Serie
von Todesfällen von 27jährigen
Rockmusikern läutete Jim Morrison
ein. Erst 1994 folgte in den „Klub
27“ Kurt Cobain durch seinen spektakulären
Suizid.
Alle diese jungen Rockmusiker,
die mit 27 Jahren starben, hatten
eines gemeinsam: Sie hatten einfach
von allem ein wenig zuviel. Und
sie hinterließen Lücken, die nicht
oder nur schwer geschlossen werden
konnten. Ausnahme hier vielleicht
Brian Jones, der nur zu kurz bei
den Stones spielte.
All die vielen Musiker haben das
Leben einer ganzen Generation geprägt
und ihre Musik wird nicht
vergessen werden.
Begegnung in Paris
Endlich war es so weit. 6. Juli, ein
Samstag, 10 Uhr Flughafen Berlin-
Tegel. Mein Flug nach Paris.
Ich habe es nach vielen Anläufen
geschafft. Mein Traum wird wahr.
Paris, zumindest für zwei Nächte.
Der Flug war ruhig, wir landeten
bei strahlendem Sonnenschein in
Paris. Mein französisch war eine
Katastrophe, ich hielt dem Taxifahrer
den Zettel mit dem Namen
meines Hotels unter die Nase. Nur
nichts reden müssen. Er redete
während der Fahrt ununterbrochen,
ich grinste dämlich und nickte wie
ein Wackeldackel.
Der Portier des Hotels sprach englisch
und konnte mir die Wege
nach Notre Dame und dem Louvre
so erklären, dass ich diese angesagten
Sehenswürdigkeiten nach
einigen Umwegen auch erreichte.
Nach einer unruhigen Nacht erwachte
ich um 7 Uhr. Duschen,
anziehen, schminken, frühstücken,
alles war in 40 Minuten erledigt.
Und nun konnte ich endlich zum
eigentlichen Zweck meines Besuches
aufbrechen. Und dieser Zweck
war der Besuch von Père Lachaise.
Und hier ganz besonders das Grab
von James Douglas Morrison, der
am 3. Juli Todestag hatte. Meine
Hoffnung war, dass der größte Andrang
vorbei sein würde.
Also wieder ein Taxi. Diesmal
brauchte ich keinen Zettel, Père
Lachaise konnte ich gut aussprechen.
Und wieder dasselbe. Taxifahrer
redete, ich schlüpfte wieder
in die Rolle des dämlich grinsenden
Wackeldackels. Trotzdem erreichten
wir das Ziel: Père Lachaise, DER
Friedhof schlechthin.
Selbstverständlich hatte ich mich
sachkundig gemacht, wohin ich zu
gehen hatte. Ich musste zur 6. Division,
zweite Reihe. Père Lachaise
ist ein riesig großer Friedhof. Muss
er auch sein mit den unzähligen
Berühmtheiten, die hier ihre letzte
Wohnstätte hatten.
Nach 15 Minuten hatte ich mein
Ziel erreicht. 6. Division, zweite
Reihe, das Grab von James Douglas
Morrison, besser bekannt als Jim
Morrison, die Stimme der Doors.
In meinem Kopf hörte ich „Rides
on the Storm“, eines meiner Lieblingslieder.
Stumm stand ich vor dem Grab.
Mir traten die Tränen in die Augen.
Er war so jung, als er starb. Er war
so schön. Er war so talentiert. Dummer
Kerl, flüsterte ich. Ich stand
in Gedanken versunken am Grab,
als ich plötzlich von hinten leise
angesprochen wurde. Langsam
drehte ich mich um. Auf einer
Bank saß ein älterer Mann, der
mich freundlich anlächelte und in
einer mir fremd erscheinenden
Sprache mit mir redete. Natürlich
sprach er französisch, wie konnte
es auch anders sein, ich befand
mich schließlich in Paris, Frankreich.
„Excusez-moi je ne parle pas
francais.“ Hoffentlich hat der verstanden,
was ich da von mir gab.
„Can we try in English,“ antwortete
er.
Puh, ein Franzose, der englisch
spricht. Und das auch noch auf
dem Friedhof. Ich setzte mich zu
ihm auf die Bank. Er hatte eine
sanfte, angenehme Stimme ebenso
sanfte braune Augen, die mir irgendwie
bekannt vorkamen, und
unsere Verständigung klappte gut.
Auf seine Frage, wieso ich hier
am Grab von Jim Morrison sei, erzählte
ich ihm von meinem Sohn,
der ihn sehr verehrte und mich
aufgerüttelt hatte. Durch meinen
Sohn hatte ich mich mit der Musik,
den Schriften und dem Menschen
Jim Morrison beschäftigt. Er hörte
mir aufmerksam zu und plötzlich
sprach er leise:
„I am the Lizard King.“ Er sprach
weiter das Gedicht aus „An American
Prayer“. Ich war sehr verwundert,
dass so ein alter Mann aus diesen
Gedichten Jim Morrisons
überhaupt etwas kannte. Na ja, er
wird schon seine Gründe haben.
Weiter dachte ich nicht darüber
nach, er saß schließlich auf einer
Bank gegenüber dem Grab. Also
wird er sich schon irgendwie mit
dem Menschen beschäftigt haben,
der da begraben liegt. Er kannte
sich offensichtlich aus auf diesem
Friedhof. Wir gingen zu den Gräbern
von Edith Piaf, Sarah Bernhardt,
Gilbert Becaud bis zu Maria
Callas. Drei Stunden verbrachten
wir zusammen bei den Toten.
Nach dieser Zeit waren wir hungrig
und durstig. Mit einem Taxi, wie
schön, er sprach perfekt französisch,
fuhren wir zum Champs-Elysées.
In einem der unzähligen Straßencafés
tranken wir Rotwein, aßen
Baguette und Käse. „I must leave
you now,“ er schaute mich an. In
seinen Augen lag Bedauern, dass
er nun gehen musste. Ich war völlig
erschöpft, es war ein langer Tag.
Wir küssten uns auf die Wangen
und er ging. Zurück in meinem
Hotelzimmer ging ich unter die
Dusche, es war ein heißer Tag und
morgen früh um 9 Uhr ging mein
Flieger zurück nach Berlin. Als
ich aus dem Badezimmer kam,
flatterte aus meiner Tasche ein
Zettel sanft zu Boden. Er sah aus
wie aus einer Kladde gerissen. Ich
hob ihn auf, mir stockte der Atem.
Auf dem Zettel stand: „I am the
Lizard King“. Das Wort „am“ war
durchgestrichen, darüber stand das
Wort „was“. Direkt daneben standen
die Buchstaben „JDM“.