Die 50 besten Alben aller Zeiten - Platz 46: „Enigmatic“

Wenn ich ganz hart mit mir ins Gericht gehe
und mich frage, was mir die Musik des Ostens
in den Jahren der DDR bedeutete, so muss
ich sagen: NICHTS! Alles, was aus der DDR selbst
oder aus den „sozialistischen Bruderländern“
kam, verachtete ich, ja, es widerte mich regelrecht
an, da ich immer die ideologische Indoktrination
befürchtete. Nüchtern und aus der Perspektive
der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten
betrachtet, war diese Ablehnung grundsätzlich
falsch. Und so erinnere ich mich sehr gut an
jenen Keller in einem Plattenladen in Berlin-
Pankow, in dem ich kurz nach der Wende eines
der wichtigsten Alben des Avantgardemusikers
Czeslaw Niemen fand: „Enigmatic“. Pure Gänsehaut
ergoss sich über meinen Rücken, als ich die
Scheibe mit dem besonderen Klappcover auflegte.
„Enigmatic“ war 1970. beim polnischen Label
„Muza“ erschienen und sollte bald das beste
polnische Rockalbum aller Zeiten werden.Inspiriert
wurde Niemen zu seinem Meisterwerk bereits
1968 von Wojciech Młynarski. Und so entschied
er sich, polnische Gedichte und Texte zur Grundlage
seines neuen Albums zu machen. Als „Enigmatic“
1970 auf den Markt kam, wurde es sehr schnell
populär und erreichte bald Goldstatus in Polen.
Bereits 1971 waren 160.000 Kopien verkauft.
2012 waren schließlich mehr als 5 Millionen
Exemplare weltweit an die Musikfreunde gebracht
worden. Niemen hatte „Enigmatic“ dem Andenken
des polnischen Freiheitshelden General Józef Bem
gewidmet. Mit dem sechzehnminütigen Opener
des Albums gelang dem Mastermind der polnischen
Avantgarde eine prickelnde Synthese aus traditioneller
Kirchenmusik und avantgardistischem Rock.
Dieses Album offenbarte einen tief religiösen, in
der Geschichte seiner weißrussischen und polnischen
Heimat verwurzelten Künstler. Anfang der 1970er
Jahre entwickelte Niemen seinen Musikstil weiter
in Richtung psychedelischer und elektronischer
Rock. Am 17. Januar jährt sich sein Tod zum
zehnten Mal. ts.