Die 50 besten Alben aller Zeiten - Platz 48: „Nocturnes“

Zum ersten Mal tauchte der Name Rainer
Ptacek, den alle Freunde seiner Musik immer
nur Rainer nannten, auf einem MP3-Sampler
in meiner Kollektion auf. Es muss Mitte der 90er
Jahre gewesen sein. Ein geiziger Bekannter hatte
ihn zusammengestellt, ohne Booklet, ohne irgendwelche
digitalen Informationen. Jedoch, die
ziemlich weit hinten versteckte Musik, die ich bis
dahin nicht kannte, gravierte sich sofort ein in
meine Hirnwindungen. Ich begann zu recherchieren,
fand das wohl beste Album, das Rainer
je produziert hatte („Nocturnes“) und stieß auf
seine fesselnde Biographie.
Der im Juni 1951 in Ost-Berlin geborene Rainer
floh mit seinen Eltern bereits 1956 nach Chicago.
Am 12. November 1997 musste er erst 46-jährig
die Welt verlassen. Rainer starb an den Folgen
eines erneut wuchernden Hirntumors, der erstmalig
im Februar 1996 diagnostiziert wurde. Monate
zuvor verhieß eine erfolgreiche Therapie noch
gute Prognose. Rainer, der damals schon in Tucson
lebte, musizierte und einen Laden für Musikinstrumente
führte, hatte keine Krankenversicherung.
Er konnte die Rechnungen für die teure Therapie
nicht zahlen. So rief sein Freund Robert Plant von
Led Zeppelin einige Musiker zusammen, um das
Album „The inner flame“ einzuspielen. Mit von
der Partie waren neben Robert Plant selbst Giant
Sand, Jimmy Page, Emmylou Harris, Evan Dando,
Victoria Williams, Vic Chesnutt, PJ Harvey u.v.a.
Auf den meisten Stücken des Tribute-Albums ist
Rainer selbst auch an der Gitarre zu hören. Der
gesamte Erlös kam ihm zugute. Schon in Chicago
lernte Rainer den Blues lieben. Doch vielmehr war
der Umzug nach Tucson in den frühen Siebzigern
bestimmend für das, was er daraus machte.
Rainer Ptacek kennt heute kaum jemand. Zudem
wissen die wenigsten, dass er einer der wichtigsten
Bluesgitarristen war, der jemals in der DDR geboren
wurde. Sein musikalisches Gesamtwerk erscheint
heute auf kleinen Labels und wird von seiner
Witwe verwaltet und herausgegeben. ts.