Die besten Alben aller Zeiten - Platz 38: „Blood On The Tracks“

Mit seinem fünfzehnten Studioalbum „Blood
On The Tracks“ führt uns Bob Dylan nach
rund vierzig Jahren der Erstveröffentlichung
vor ein Faszinosum. Im Lauf der Jahrzehnte
kamen uns unzählige Alben bekannter Künstler
mit medialen Vorschusslorbeeren entgegen.
Viele davon glitten trotz anfänglich positivem
Rummels ab in das Nirvana der Bedeutungslosigkeit.
Nicht so „Blood On The Tracks“. Fernab
modischen Retro-Geschwätzes entlässt Dylan
den Hörer von heute mit diesem Album in das
Licht der Ahnung: „Blood on The Tracks“,
dem zur Zeit des Debuts medial gerade keine
Dauerhaftigkeit vorausgesagt wurde, braucht
heute keine Patina der Nostalgie, um seine
grandiose Qualität aus dem reichen Füllhorn
zu entlassen! Es durchströmt uns regelrecht
mit seiner schlichten wie bestürzenden Unmittelbarkeit.
In vorwiegend akustischer Begleitung
zuzüglich eines hintergründig feinen,
manchmal sakral wirkenden Orgelwerks entblättert
„Blood on The Tracks“ über beinahe
heiter anmutenden Klängen eine individuelle
Mathematik des Scheiterns. Dylan legt einen
zeitlichen Kontext offen und darin dessen konsequentes
Vergehen von Beziehungen samt
der bösen Zäsur, wie es eigentlich nur in der
klassischen Literatur Russlands anzutreffen ist.
Es ist der bittersüße Geschmack der Freiheit
und der daraus folgenden Abrechnung, aus
Abhängigkeit und Ohnmacht heraus nun endlich
wieder die Macht über sich gewinnen zu
können! Autobiografische Bezüge bestritt Dylan
dagegen, wenn auch mit dem Abstand der
Jahre manches davon offensichtlich zu sein
scheint. Dylan habe sich in der Zeit von „Blood
On The Tracks“ jedoch vorstellen können,
einmal ein ganzes Album mit Texten Anton
Tschechows zu gestalten. Ob es schade darum
ist oder ob es besser war, bei seinen eigenen
Lyrics zu bleiben, das ist der Stoff einer ganz
anderen Geschichte. K.S.