Ein Meisterwerk: Hannah Arendt
Von Thomas Steierhoffer

Es geht in dem Meisterwerk
von Margarethe von Trotta
hauptsächlich um die vielleicht
zehn Seiten in „Ein Bericht
von der Banalität des Bösen“, auf
denen sich die Jüdin Hannah Arendt
im Zuge der Reflexion des Eichmann-
Prozesses in Jerusalem mit
der Verantwortung der „Judenräte“
auseinandersetzt, die von den Nazis
eingerichtet worden waren. Und
es geht um ihre Beziehung zu Martin
Heidegger. Barbara Sukowa
(Gudrun Ensslin, Rosa Luxemburg,
Hildegard von Bingen) spielt die
Rolle ihres Lebens und hat extra
für diese Rolle wieder angefangen
mit dem Rauchen. Was in diesem
Film geraucht wird ...
Der Film ist ein MUST SEE or
WATCH! Anschaualarm - am besten
zweimal! Doch der Reihe nach:
Im Mai 1960 spürt der israelische
Geheimdienst den mit Hilfe der
katholischen Kirche untergetauchten
Adolf Eichmann in Argentinien
auf und entführt ihn nach Israel.
Hannah Arendt (Barbara Sukowa)
bietet dem Magazin „The New
Yorker“ an, über den Prozess in
Jerusalem zu berichten. Begeistert
ergreift der Herausgeber William
Shawn (Nicholas Woodeson) die
Gelegenheit. Denn die berühmte
politische Denkerin und Schriftstellerin
wird zu jener Zeit weltweit
für klare Standpunkte und scharfsinnige
Analysen geschätzt.
Als Hannah Arendt ihren „tribe“ –
jenen Zirkel illustrer Intellektueller,
der regelmäßig in ihrer Wohnung
zusammenkommt um politische,
gesellschaftliche oder geisteswissenschaftliche
Themen zu diskutieren
– über ihre Pläne informiert,
ist es vor allem Hannahs Ehemann
Heinrich Blücher (Axel Milberg),
der ihrem Vorhaben skeptisch gegenüber
steht. Er befürchtet, dass
der Prozess seine geliebte Hannah
emotional wieder zurück in die
„dunklen Zeiten“ führen wird. Doch
Hannahs Entscheidung steht fest:
Dieser Prozess bietet ihr die vielleicht
letzte Gelegenheit, einem
verantwortlichen Nazi leibhaftig
zu begegnen und seinen Charakter
zu analysieren und zu verstehen.
„Die ungewöhnliche Schärfe und
sarkastische Zuspitzung, mit der
Hannah Arendt sowohl im privaten
wie im öffentlichen Raum zu argumentieren
pflegte, haben ihr gerade
im Hinblick auf die Eichmann-
Studie den Vorwurf der Arroganz,
der bloß rhetorischen Brillanz
und der Takt- und Gefühllosigkeit
im Angesicht der Opfer
eingetragen.“ So hatte es Hans
Mommsen im Vorwort zu „Eichmann
in Jerusalem“ formuliert.
Die Kontroverse um Arendts Erkenntnis,
dass der Organisator des
Holocaust eben kein Monster, kein
gehörnter Satan war sondern vielmehr
ein mittelmäßiger Bürokrat,
ließ ihr Buch erst im Jahr 2000 in
Israel erscheinen. Viele Überlebende
konnten und wollten nicht
sehen, hören und lesen, was Arendt
so auf den Punkt brachte: „Das
Erschreckende war seine Normalität.“
Trottas Film ist ein unter
die Haut gehendes Meisterwerk!
Eine tiefe Analyse von der Banalität
des Bösen. Bravo!