If you're going to San Francisco

Von Thomas Steierhoffer
Wenn du nach Frisco gehst, vergiss die Blumen nicht!
Die Gipfel an der „Route 1“ in Kalifornien sind noch wolkenverhangen.
Nach links fällt die Traumstraße in atemberaubender
Steilheit extrem ab und scheint sich mitunter direkt auf die
Wogen des Pazifiks zu stützen. Die Hänge und kleinen Nischen
entlang dieser als schönste Panoramastrecke Amerikas geltenden Serpentinenstraße
sind mit Blumen und blühenden Pflanzen aller Art
übersät. Plötzlich reißen die Wolken auf und geben den Blick frei auf
die schroffen Felsspitzen. Die Sonne bricht durch und schenkt der
einzigartigen Natur wärmende Strahlen.
Wir sind auf dem Weg von Los Angeles nach San Francisco. Auf
einmal schießt es mir wie ein Blitz durchs Hirn: Du kannst nicht zum
allersten Mal in die Stadt der Hippies einreiten, ohne Blumen im Haar
zu tragen! Schließlich heißt es schon im Superhit „San Francisco“
von Scott McKenzie:
„If you're going to San Francisco
Be sure to wear some flowers in your hair
If you're going to San Francisco
You're gonna meet some gentle people there...“
So stoppe ich meinen Wagen an einem der zahlreichen mit Blüten
überwucherten Aussichtsplätzen und fange an zu pflücken. Das
Ergebnis kann sich sehen lassen. Und so bin ich gewappnet für die
Stadt meiner Träume. Kurz vor der „Golden Gate Bridge“ stoppe ich
erneut, um ein paar Lebensmittel in einem Supermarkt zu kaufen.
Neben Brot und Käse, Weintrauben und Paprika gönne ich mir ein
Six-Pack der irischen Biermarke „Guinness“. Ich lege alles auf das
Kassenband und warte ab. Plötzlich sagt die blutjunge Kassiererin in
vollem Ernst und mit Nachdruck: „Show me your ID please!“ Ich
denke, ich höre nicht richtig. Vollkommen erstaunt gebe ich ihr
zurück: „You want to see my passport?“ „For sure“, lächelt sie. Ich
krame in meinen Papieren und ziehe den Pass heraus, um ihn ihr zu
zeigen. Das Mädchen prüft mein Geburtsdatum sehr sorgfältig, klappt
den Pass zu und gibt ihn mir lächelnd zurück: „Everything is okay,
Sir!“ Ich stecke meinen Pass wieder ein und frage sie: „Do I look
realy as young?“ Der Mann hinter mir an der Kasse lacht auf und
meint: „So now you are realy happy!“ Da fällt es mir wie Schuppen
von den Augen! Ja, ich bin in San Francisco und trage Blumen im
Haar. Und ganz plötzlich wird mir klar, was Nietzsche im „Zarathustra“
eigentlich sagen wollte: Wenn du nach Frisco gehst, vergiss die
Blumen nicht!