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Imagine: „Beatle statt Bebel“

Von Norbert West



Diesen Sommer (2015, Anm.d.Red.) jährte sich

John Lennons Geburtstag

zum 75. Mal, und sein

viel zu früher Tod ist am 8. Dezember

genau 35 Jahre her. Anlass

und Gelegenheit für mich, zu

schauen, wie John Lennon und

seine Beatles in meinem Leben

immer wieder eine Rolle spielten.

Meine erste Begegnung mit den

vier Jungs aus Liverpool muss

im Jahr 1970 gewesen sein. Paul

McCartney zieht endlich einen

Schlussstrich und gibt offiziell

die schon längst vollzogene Trennung

der Beatles bekannt. Im Radio

läuft Tag und Nacht Beatlesmusik

und mit einer Röhrenradio-

Tonbandgerät-Kombination

wird bei uns zu Hause unter der

Bettdecke – das Radio hatte einen

Monoausgang der mit dem Lautsprecher

gekoppelt war – fleißig

aufgenommen. Wie ich die Musik

der Beatles als Sechsjähriger empfand,

weiß ich heute nicht mehr.

Nur die Erinnerung blieb und das

Gefühl des ganz Besonderen, ihre

Geschichte mitzuerleben, dabei

gewesen zu sein.

Der 9. Dezember 1980 war ein

Dienstag. Die Morgennachrichten

von RIAS Berlin bringen die unglaubliche,

unerträgliche Nachricht:

John wurde vor dem „Dakotahaus“

in New York City von

einem geistig Verwirrten erschossen.

Dienstag, also kein Morgenappell

auf dem Schulhof der 6.

POS Berlin-Lichtenberg. Meine

Schulfreunde treffen ein, und die

Nachricht macht schnell die Runde.

Einer von uns hat schwarzen

Stoff mitgebracht, aus dem wir

Armbinden basteln. Jetzt schnell

rein in den Klassenraum, gespannt,

ob das bei der Klassenlehrerin

durchgehen wird. Eine Woche legen

wir die Armbinden – Zeichen

unserer Trauer – nicht ab, hören

im Radio die Sondersendungen

zu Johns Tod und können es irgendwie

nicht fassen. John stirbt

mit 40 Jahren.

Ich war 16, spielte in der Schülerband

unserer Kirchengemeinde,

hatte ein paar Jahre Klavierunterricht

hinter mir und war überzeugt,

der größte Beatlesfan in

unserem Kiez zu sein. Schließlich

hatte ich von meiner West-Berliner

Cousine das Rote und das Blaue

Album und dank meines älteren

Bruders und seines Tesla ZK 120TBandgerätes

wunderbare Aufnahmen

von den „Fab Four“. Ich

wusste zwar bei einigen Liedern

nicht, wie sie heißen, aber konnte

ziemlich genau unterscheiden, wer

da singt: John, Paul, George und

eher selten Ringo. Und später,

vielleicht zum 18. Geburtstag,

bekam ich noch dieses geniale

Taschenbuch. Da gab es zu jedem

Vor 35 Jahren wurde John Lennon erschossen

Song eine kleine Story, wann und

wo der Titel eingespielt wurde

und wer dabei welches Instrument

spielte. Mit diesem Wissen beeindruckte

ich meine Freunde,

die mit mir auf dem Beatles-Trip

waren. Und mit „Hey Jude“, „Let

It Be“ und „Michelle“ konnten

wir am Lagerfeuer bei den Mädels

ordentlich punkten.

Sommer 1983 – Auf dem Rückweg

von einem Bulgarien-Ungarn-

Campingurlaub: Am Flughafen

Berlin-Schönefeld wird mein

Rucksack von der Zöllnerin buchstäblich

auf den Kopf gestellt.

Und welch Glück bei der berühmt-

berüchtigten Willkür der

DDR-Zöllner: meine kleine und

teuer erkaufte Plattensammlung

u. a. mit Yoko Onos „Season of

Glass“ und Johns Meisterwerk

„Imagine“ geht ohne Beanstandung

durch.

Anfang der neunziger Jahre,

Gründerzeit in Ost-Berlin – mit

Musikerfreunden starte ich ein

Bandprojekt für musikinteressierte

Jugendliche, aus dem für mich

ein Beruf für die nächsten 20 und

mehr Jahre werden soll. Die jungen

Leute spielen handgemachte

Rockmusik und lernen von uns

Gitarre-, Bass- und Schlagzeugspielen.

Wir fahren mit den Bands

übers Wochenende nach Brandenburg

– Musikmachen nonstop.

Jahre später wird uns dieses Projekt

quer durch Europa und sogar

bis nach Japan führen. Ein Großteil

der Jugendlichen geht damals

auf die August-Bebel-Oberschule

in Berlin-Mitte. Unter dem Motto

„Beatle statt Bebel“ rocken unsere

jungen Menschen auf dem Schulhof

zur Umbenennung des Gymnasiums

in „John-Lennon-

Oberschule“.

2015 – Eine Einladung zu einem

50. Geburtstag: Natürlich soll

auch musiziert werden. Und welcher

Song aus dem Jahr 1965 bietet

sich an bei einer norwegischen

Lebenspartnerin? Johns „Norwegian

Wood“ in einer Akustik-Version

mit Gesang, Gitarre und Klavier

kommt beim Geburtstagskind

und den Gästen sehr gut an ;-).

Mein persönlicher Hörtipp: Auf

„The Beatles“, dem Weißen Album

„Dear Prudence“, „I’m So Tired“

und „Julia“ auf dem Weißen Album

sowie Johns Soloalben „Imagine“

und „Mind Games“.

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