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Keith Richards: „Schielendes Herz“

Von Thomas Steierhoffer



Ihm fehlt ganz einfach jene

Aufgeregtheit, die für Mick

Jagger so typisch ist. Keith

Richards, der legendäre Gitarrist

der Rolling Stones, hat nach mehr

als 20 Jahren eine sehr vielseitige

Solo-Platte im Gepäck. „Crosseyed

Heart“ ist seine dritte Scheibe

nach „Talk is cheap“ von 1988

und „Main Offender“ von 1992.

Mit „Schielendes Herz“ könnte

man den Titel ganz frei übersetzen.

Wer das neueste Werk des Urgesteins

der Rockmusik vorbestellt

hatte, bekam die beiden Auskopplungen

„Love Overdue“ und

„Trouble“ schon Wochen vor dem

Erscheinungsdatum des Albums

Mitte September als direkten

Download.

Das 15 Tracks umfassende Album

unterstreicht einmal mehr, warum

Keith Richards nicht nur zu den

einflussreichsten, sondern auch

zu den talentiertesten Musikern

unserer Zeit gehört: Von Reggae

über Rock, Country und Blues

führt er das Publikum auf eine

Reise mitten ins musikalische

Herz seines Schaffens. Nicht umsonst

geht es mit einem Robert-

Johnson-LIKE-Blues los, denn

Keith sieht in der Musik der Südstaaten

eine seiner wichtigtsten

und tiefsten Inspirationsquellen.

Für „Crosseyed Heart“ arbeitete

Richards mit einigen musikalischen

Größen und „alten Freunden“

zusammen: Schlagzeuger

Steve Jordan, Gitarrist Waddy

Wachtel, Rolling Stones Backup-

Sänger Bernard Fowler, R&BSänger

Aaron Neville sowie der

legendäre Stax-Sideman Spooner

Oldham waren mit an Bord. Eine

große Besonderheit ist zudem,

dass auch der 2014 verstorbene

Von Thomas Steierhoffer Stones-Saxofonist Bobby Keys

auf dem Album zu hören ist. Richards

schenkt seinen Fans auch

sanfte Töne: Die soulige Ballade

„Illusion“ schrieb er zusammen

mit Jazz Sängerin Norah Jones

und nahm sie mit ihr im Duett

auf.

Es dürfte nicht schwerfallen, jeden

der 15 Tracks zu vergessen, mit

denen sich Richards unbeschwert

durch Bahnhofskneipenrock, Südstaatenblues

und Kleinkriminellencountry

spielt. Sogar eine Prise

70er-Jahre-Reggae ist dabei, was

vielleicht der deutlichste Hinweis

ist, dass die Herangehensweise

relativ offen war: Alles, was nicht

heutig klingt, war erlaubt.

Zu den Erkenntnissen, die Richards

in jüngster Zeit mit dem

Rest der Menschheit teilte, gehört,

dass das „Sgt. Peppers“ Album

der Beatles Müll sei und damit

den tatsächlichen Müll, den die

Rolling Stones auf „Their Satanic

Majesties Request“ als Antwort

fabriziert hatten, entschuldigt; dass

es sich bei HipHop um nichts

weiter handele als unmusikalisches

Geschrei über Beats; dass heute

praktisch allen Gitarristen der

Groove fehle und er Heavy-Metal-

Bands wie Black Sabbath und

Metallica einfach zum Lachen

fände. „So was hört man natürlich

gern“, meinte die Welt.

Keith Richards ist mit „Crosseyed

Heart“ endgültig bei sich selbst

angekommen. Der Mann, der am

18. Dezember 72 Jahre alt wird,

überzeugt ganz besonders mit seinen

stillen Balladen. Hier ruht er

in sich und lässt seine Fans teilhaben

an dem, was er über Jahrzehnte

bedeutend mitgeprägt hat:

Rock’n’Roll.

Keith Richards, „Crosseyed Heart“,

EMI / Universal 2015

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