Philosoph undLiterat - Albert Camus starb vor 50 Jahren bei einem Autounfall

Als Albert Camus vor 50
Jahren (1960) starb, da fanden die
Rettungskräfte in den
Trümmern des an einem Baum der
französischen Nationalstraße 5 zerschellten
Sportwagens ein Manuskript
von gerade einmal 144 Seiten:
„Der erste Mensch” - Camus’
unvollendeter autobiografischer
Roman, der erst 1994 veröffentlicht
werden sollte. Es ist die Aufarbeitung
von Camus’ eigener Familiengeschichte.
Er erzählt von einer
Welt der Armut und der kleinen
Leute im Algerien der Zwischenkriegszeit.
Camus stammte aus einer seit zwei
bis drei Generationen in Algerien
ansässigen Familie mit südfranzösischen
Wurzeln väterlicherseits
und spanischen mütterlicherseits.
Sein Geburtsort Mondovi war ein
Zentrum des Weines. Camus’ Vater,
ein nach Algerien ausgewanderter
Elsässer, war während der Marneschlacht
im Ersten Weltkrieg gefallen,
als sein Sohn gerade ein Jahr
alt war. Camus’ Mutter, durch einen
Unfall taub geworden, blieb bis an
ihr Lebensende Analphabetin. In
diese Welt seiner Kindheit war
Camus wieder eingetaucht bei der
Niederschrift seines letzten Romans.
1924 erhielt Camus’ Grundschullehrer
mühsam die Erlaubnis von
Mutter und Großmutter, den begabten
Jungen für die Aufnahmeprüfung
des Gymnasiums vorzubereiten.
Camus bestand und pendelte
hinfort zwischen der ärmlichen
Welt seines Zuhause und dem
bürgerlichen Milieu der Schule, wo
er seine Herkunft vor den Klassenkameraden
versteckte. Er schämte
sich seiner Mutter.
Camus studierte Philosophie an der
neu eröffneten Universität von
Algier. 1935, nach der Bildung der
„Volksfront“, eines antifaschistischen
Bündnisses der französischen
Linken, wurde er, wie viele
andere junge Intellektuelle auch,
Mitglied in der Kommunistischen
Partei.
In den Nachkriegsjahren war er
zusammen mit Jean-Paul Sartre,
mit dem ihn kurze Zeit ein
freundschaftliches Verhältnis
verband, einer der Vordenker des
Existentialismus. Sein bekanntestes
philosophisches Werk aus dieser
Zeit ist die Essay-Sammlung
L’Homme révolté (1947–1951), die
ihm neben viel Beifall auch Polemik
eintrug. Auch die von Sartre,
der ihm den Verrat linker Ideale
vorwarf.
Als Camus 1957 den Nobelpreis
entgegennahm und sich danach von
dem Preisgeld ein Haus in einer der
schönsten Ecken der Provence gekauft
hatte, wo ihn das Licht, die
Vegetation und die Landschaft an
sein geliebtes Algerien erinnerten,
tobte dort der Krieg. Menschen
wurden gefoltert und deportiert,
Sprengstoffanschläge erschütterten
die algerischen Städte.
Camus verurteilte die Gewalt auf
beiden Seiten, forderte vergeblich
einen Waffenstillstand, weigerte
sich, die algerische Befreiungsfront
FLN bedingungslos zu unterstützen.
„Ich glaube an die Gerechtigkeit,
aber wenn ich wählen
müsste, würde ich zunächst meine
Mutter verteidigen“, schrieb er
damals. Der algerische Schriftsteller
und Camus-Freund Mouloud
Feraoun erinnert sich: „Er
sagte: Ich habe Algerienschmerzen,
als hätte ich Schmerzen in der
Lunge. Das ist sehr bezeichnend.
Es gelang ihm nicht, in seinem
Inneren klar zu sehen, er sah keinen
Ausweg. Er liebte Algerien sehr,
war Algerier, auf der anderen Seite
ein großer französischer Schriftsteller,
seine Zerrissenheit war
unglaublich, gerade für einen so
sensiblen, so gerechten, so integren
Menschen, wie er es war.“
Albert Camus hatte 1947 mit der
„Pest“ den internationalen Durchbruch
geschafft. Der Roman, der
sogar in der DDR veröffentlicht
wurde, ist eine Parabel über die
Widerstandslosigkeit der Bevölkerung
gegen die Despotie. In der
Nachkriegszeit feierte er als Theaterautor
und Regisseur an den
großen Pariser Bühnen Triumphe.
1951 veröffentlichte Camus seinen
philosophischen Essay „Der
Mensch in der Revolte“. Das Werk
ist eine Abhandlung über den
Zusammenhang zwischen dem
Sich-Auflehnen der Menschen und
dem Entstehen totalitärer Systeme.
Am 4. Januar 1960 hatte sich
Camus vom Neffen seines Verlegers,
Michel Gallimard, überreden
lassen, mit dessen Sportwagen in
die Hauptstadt zu fahren. Als der
Tote geborgen wurde, fanden die
Helfer seine unbenutzte Bahnfahrkarte
nach Paris in der Tasche. ts.