Zwei Beatles und zwei Alben - Solo: George Harrison & John Lennon
Ein Interview von Thomas Steierhoffer

Er gehört zu den ganz großen
Fans der legendären
Liverpooler Beatles: Manfred
Klisch aus Berlin-Pankow. Mit
der Musik der „Pilzköpfe“ ist
er quasi aufgewachsen. Die
„Monotonie des Yeah, Yeah,
Yeah“ übt ihre suggestive
Kraft bis heute auf den Installateur
und Haustechniker aus. Wir sprachen
mit ihm über die Bedeutung der
ersten Solo-Alben von George
Harrison und John Lennon.
1970 erschienen „All things must
pass“ und „John Lennon
Plastic Ono Band“ kurz
hintereinander.
PANKE-SPIEGEL: 1970 erschien
kurz nach der Trennung der
Beatles das erste Soloprojekt eines
ehemaligen Mitgliedes der Band:
„All things must pass“ von George
Harrison. Etwas später folgte dann
„John Lennon Plastic Ono Band“.
Was bedeuten diese Alben für Dich
persönlich?
Klisch: Die Musik auf der ersten
Soloplatte von John Lennon ist für
mich ganz besonders interessant
wegen ihrer Aggressivität. In
seinen Songs, angefangen mit dem
Opener „Mother“, offenbart er unwahrscheinlich
viele Traumata, die
er durchlebt und durchlitten hatte.
Damit zeigt er ganz deutlich, wie
kaputt er eigentlich war. Ich sehe
in diesem Album eine Art Therapie,
die deutlich macht, wie Lennon
sich auf den Weg zur psychischen
Genesung gemacht hat. Die Musik
reist mich unglaublich mit. Gerade
vom minimalistischen Sound bin
ich enorm fasziniert. Er spielt sehr
auf Schlagzeug, Bass und Gitarre
konzentriert auf. Ich würde sogar
sagen, dass diese Platte zum Meilenstein
und zum Wegbereiter des
Minimalrock geworden ist. Die
Scheibe liefert keine fließende Ebene
des Sounds. Vielmehr ist sie eher
zerhackt, ein Hoch und Runter in
der Musik wird erlebbar. Bei „Mother“
kann man sehr gut nachvollziehen,
wie er sich gefühlt haben
muss, als ihn Vater und Mutter verlassen
hatten. Aber nicht nur hier
werden persönliche Enttäuschungen
musikalisch umgesetzt, sondern
auch in „Hold on“ oder in „I
found out“. Sämtliche Songs auf
dieser Scheibe sind aus meiner
Sicht echte Volltref fer. Sie scheinen
auf den ersten Blick unorganisiert
zu sein. Aber gerade deshalb entsteht
ein Gesamteindruck, den ich
mit kraftvoll am ehesten beschreiben
kann. Diese LP kann ich persönlich
immer wieder neu erleben
und durchleben. Hier setzen bei mir
sehr viele Schwingungen ein.
PS: Wie stehst Du zum Dreifachalbum
„All things must pass“ von
George Harrison, das von Phil
Spector produziert wurde?
Klisch: Für George Harrison war
das ein Befreiungsschlag. Endlich
konnte er als Musiker und Künstler
in den Vordergrund treten. Es ist ja
bekannt, dass er von Lennon und
McCartney immer wieder gezügelt
und teilweise sogar in die Ecke gedrückt
wurde. Sein eigentliches
Talent wurde von diesen beiden
ziemlich zugeschüttet. Somit begann
mit diesem ersten Soloprojekt
die aus Harrison selbst kommende
Präsentation seiner Fähigkeiten als
herausragender Gitarrist, Sänger
und Musiker. Allerdings konnte
man diese Fähigkeiten zumindest
ansatzweise bereits in der Endphase
der Beatles erkennen. Als Beispiele
seien hier nur ein paar Songs
erwähnt, die deutlich machen,
welches Potential er hatte: „Something“,
„Here comes the sun“,
„While my guitar gently weeps“...
Ein besonderes Verdienst hat er
sich zweifellos mit der Einführung
der indischen Sitar in die Rock- und
Popmusik erarbeitet. Sehr imposant
ist es ihm gelungen, indische
Philosophie und fernöstliche Musik
in die Musik des Westens zu integrieren.
Ich glaube auch, dass die
Flower-Power-Bewegung der Hippies
ohne George Harrison einen
ganz anderen Verlauf genommen
hätte. Bestimmt wäre sie nicht so
friedvoll gewesen. „All things must
pass“ glänzt natürlich mit dem Hit
„My sweet Lord“. Ich kann mich
noch erinnern, wenn ich als kleiner
Junge das Radio angemacht hatte,
lief der Song hoch und runter, im
RIAS beispielsweise. Auch hatte
Harrison das Dreifachalbum mit
herausragenden Musikern eingespielt.
Später, als er das Material
während des ersten Benefizkonzertes
in der Geschichte der Rockmusik
(„Concert for Bangladesh“)
live spielte, konnte man die Qualität
der Produktionen sowie die Virtuosität
seiner Musiker auf der
Bühne bestaunen.
Ein Interview von
Thomas Steierhoffer
PS: Wann bist Du zum ersten Mal
mit der Musik der Beatles oder mit
ihren Solo-Alben in Berührung
gekommen?
Klisch: Eigentlich durch meine
sehr musikalische Mutter. Wir
hatten schon in den sechziger
Jahren ein Tonbandgerät. Und von
dem habe ich schon als kleiner
Junge Songs wie „Do you want to
know a secret“ oder „Love me do“
und „Please, please me“ gehört.
Auch durch meine ältere Schwester
und meine Cousins kam ich schon
sehr früh mit der Rock- und Popmusik
– immer angeführt von den
Beatles – in Kontakt. Die Leidenschaft
ist bis heute geblieben!